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Ostern


Liebe Freunde der Kunst, liebe Freunde!

Meine Lieben,


gestern war Weltkunsttag, wurde das eigentlich irgendwo wahrgenommen? Ich habe es auch erst durch Insta erfahren. Macht aber nix, da ich mich ohnehin täglich fleissig mit Kunst beschäftige.


Mein letzter Blogpost datiert von Ostern 2021. Hätte uns damals ein Seher seine Visionen für 2022 erzählt, wir hätten doch alle gedacht, der hat Lack gesoffen. Aber nun haben wir den Salat. Da bleiben uns die drei F's - Friede-Freude-Frühling- schon mal quer im Hals stecken.

Bei dem üblichen Ostergruß-Dingsbums "Genießt die schönen Frühlingstage und feiert mit der Familie" sprengt es mir die Tastatur weg. Dabei sollte ich mich doch in den letzten Jahre daran gewöhnt haben, dass ich fast alles, was ich denke, nicht mehr sagen darf. Scheiß drauf. Wenn der Wahnsinn um einen herum ausgebrochen ist, hat das auch was Anarchisches. Schaut, dass Ihr Ostern genau das macht, was Euch wirklich Spaß macht. Was nicht unbedingt das sein muss, was Ihr immer macht oder was man von Euch erwartet. Hängt auf der Couch ab #Jogginghose #KarlLagerfeldQuote, guckt Netflix #bingewatching, betrinkt Euch #oderauchnicht, zieht Euch statt extemporiertem Ostermenu eine XXL Portion Pommes mit Mayo und Extrazwiebeln rein #extendedversion. Und schmeißt die Familie raus, die Ihr sowieso nicht leiden könnt.


In meinem Freundes- und Bekanntenkreis kenne ich wirklich niemanden, der sich in einem anderen Leben freiwillig mit seinen Familienmitgliedern befreundet hätte. Und jeder von ihnen hat seine speziellen Traumata durch jährlich erlittene, feiertagsbedingte Zwangszusammenkünfte.

"Wann gehen die endlich," flüsterte meine Mutter dann entnervt, während sie in der Küche ein weiteres Mal Canapés auf den Servierplatten nachlegte. "Es ist schon fast 22 Uhr. Haben die kein Zuhause!" "Soll mir schlecht werden? So mit dem Würgen auf dem Klo?" Es war in meiner Studentenzeit auf Nachfrage hin eine meiner liebsten Performances. "NEIN! Untersteh dich! Die denken sowieso schon, du hast was Chronisches am Magen. Hier, trag das lieber rein." Ich bekam ein großes Tablett in die Hände gedrückt und war schon halb aus der Küche geschoben worden, als ich meine Mutter murmeln hörte: "Nicht vor 23 Uhr."


In jedem Fall, meine Lieben, was auch immer Ihr tut: Habt es fein. Bleibt gesund.

Herzlichst

Claire



P.S.

Das muss jetzt keiner lesen. Zeit ist knapp und kostbar, ich verstehe das so gut, und es gibt irgendwie immer zu wenig davon. Macht also was Ihr jetzt tun wollt: Das Haus putzen, die Möbel umstellen, Haare waschen, telefonieren #wasauchimmer .

Für jene, die weiterlesen wollen: Es gibt natürlich auch gute Erinnerungen. Diese eine herausstechende Ostererinnerung möchte ich mit Euch teilen.


Es war nicht nur Ostersonntag, ich feierte auch meinen 8. Geburtstag nach, der - weil ich krank gewesen war - eigentlich kaum stattgefunden hatte. Ich durfte alle meine Freundinnen einladen aus Schule und Nachbarschaft. Der Vater einer Freundin war Reitlehrer bei der Fürstlichen Hofreitschule und hatte erlaubt, in der Grünanlage vor dem Gebäude eine von den Eltern groß angelegte Eiersuche stattfinden zu lassen. Es war aufregend, laut, lustig und etwas chaotisch. Drei Mütter halfen meiner Mutter bei der Aufsicht; alle vier waren bald überfordert.


Die Zwillinge wurden beschuldigt das bereits gefüllte Osterkörbchen einer Doris vom Brückenpfosten in den Schlossteich gestoßen zu haben, weil sie zu viele hätte, Marlis war in einen Baum geklettert und kam nicht wieder runter, Henriette war in ihrem rosa Kleid beim Rennen in Pferdeäpfeln ausgerutscht und hatte Martina beschuldigt, sie in selbige gestoßen zu haben wegen Auslachens. Beate hatte ihr Kleid in den Büschen leicht zerrissen, auch weil sie ihre Eier nicht kampflos an Ilona hatte abgeben wollen. Birgit war beim Laufen geschupst worden und mit dem Fuß so umgeknickt, dass sie humpelte. Irgendwann fehlte Marga. Man konnte sagen eine Aufregung jagte die nächste. Es war grandios.


Unsere aufgelösten Mütter brachen dann irgendwann die Suche ab, auch weil ihnen die Sache allmählich völlig zu entgleiten drohte. Ein ziemlich ramponierter Haufen von Mädchen mit Eierkörbchen und jeder Menge Restenergie versammelte sich lautstark krakeelend vor der Hofreitschule. "Die dicke Marga fehlt!!"


Die Mütter flatterten kopflos aus. Der Reitlehrer erschien auf ihr flehentliches Bitten, ein oder zwei Augen auf uns Kinder zu werfen. "Na, ihr Hühner? RUHE!" Und fünfzehn Mädchen gafften sprachlos.


"Wart Ihr schon mal in den Ställen? Nein? Da geht's lang, aber kein Geschrei und Gehampel. Der erste Bratz, der mir hier die Pferde scheu macht, fliegt."


Der späte Nachmittag in den Ställen, eine Sensation. Pferde streicheln, füttern, einzeln in die Box wer wollte und mal ein Pferd striegeln unter Aufsicht. Draußen fuhr Polizei vor.


"Schon mal eine von Euch geritten? Nein?" Der Reitlehrer führte eine kleine braune Stute aus der Box, den langen Gang hinunter in die große Reithalle. Die Zwillinge hatten ein Abonnement für die Wendy und kannten sich aus. "Du gehst immer von links an das Pferd ran!" flüsterten sie. "Echt? Denkst du wir werden reiten?"


Und genau das durften wir. Aufsteigen, in den Sattel gehievt werden, und der Reitlehrer führte die Stute im Rund. "Gerade sitzen!" "Schultern zurück!"

Irgendwann ging die Sirene eines Krankenwagens.


Es war schließlich früher Abend, wir waren immer noch aufgekratzt und unzerstörbar. Unsere Mütter sammelten uns ein. Statt des geplanten nachmittäglichen Picknicks ging es zurück nach Hause zu einem improvisierten Abendbrot.

Die dicke Marga hatte man gefunden. Sie hatte sich mit zwei Tupperdosen Bockwürstchen auf dem Aussenklo der Reitschule eingeschlossen. Die Tupperdosen waren leer, Marga war kotzübel mit entsprechender Folgeleistung und auf dem Weg ins Krankenhaus. Es gab erweiterten Kartoffelsalat mit Frikadellen, viel Kuchen, Ratespiele, Geschenke. Ich bekam von meiner besten Freundin Susanne eine Wasserpistole fürs Freibad. Sie hatte ihre auch mitgebracht. Begeistert tobten wir damit durchs Wohnzimmer und spielten uns schon mal auf die Freibadsaison ein, jedes von den Mädchen wollte natürlich auch mal. Das Fest fand ein jähes Ende durch die erwachsenen Spaßbremsen. Es war ein unfassbar glorreicher Tag.


Morgen werde ich wieder an Ostersonntag Geburtstag feiern. Wie in den zwei Jahren zuvor in kleinster Feiereinheit mit meinem Mann. Wir werden es fein haben. Er hat eine Woche vor mir Geburtstag, und seit einigen Jahren schon feiern wir unser beide Geburtstage zusammen. Wir werden uns gegenseitig mit Geschenkpapier bewerfen und die Korken knallen lassen. Und neben der Balkontür liegt auf der Brüstung auch wieder eine Wasserpistole. Gegen die Terror-Tauben.

Love

Claire

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